Neues Beratungsangebot bei pandemiebedingter Schuldistanz

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von Barbara Brecht-Hadraschek

In Marzahn-Hellersdorf haben wir ein neues Beratungs-und Unterstützungsangebot für Schüler*innen geschaffen, die in der Pandemie ein komplexes schuldistanziertes Verhalten entwickelt haben. Der Bedarf für das neue Angebot der tandem BTL ist groß: Schuldistanz war schon vor Corona eine große Herausforderung im Bezirk. „Die Lage hat sich in der Pandemie aber sehr zugespitzt. Es sind deutlich mehr Schulversäumnisanzeigen erstellt worden“ berichtet Sina Meinhold, Sozialpädagogin und Deeskalationstrainerin an der Konrad-Wachsmannschule. Sie ist eine der drei Kolleginnen, die in einem neuen sozialpädagogischen Team für das Beratungsangebot arbeiten wird.

Ursachen pandemiebedingter Schuldistanz

„Viele Schüler*innen und Eltern waren während der Homeschooling- und Lockdown-Phasen nicht zu erreichen und Kontakte konnten nicht aufgebaut werden,“ erklärt Anke Schiphorst, die vor ihrer Tätigkeit bei tandem BTL schon im Bezirk tätig war. Aufgaben wurden in der Schule nicht abgeholt – und viele Schüler*innen hatten auch nicht die technischen Möglichkeiten, um am Online-Unterricht teilzunehmen, sei es, dass es keinen Computer im Haushalt gab oder schlicht keine Internetverbindung. 

Ein weiteres Problem bei der Kontaktaufnahme: Sowohl Lehrkräfte als auch Schulsozialarbeiter*innen haben keine Diensttelefone. Wurden Familien angerufen, geschah das über anonymisierte Bürotelefonnummern, die vielfach nicht angenommen wurden.  Neben der fehlenden direkten Kontaktmöglichkeit sehen die Sozialpädagoginnen vor allem den Verlust der Tagesstruktur und der sozialen Gruppen als Ursache für die gestiegene Schuldistanz. „Da wurde bis vier Uhr nachts gezockt und bis 13h Uhr geschlafen. Viele tun sich bis heute schwer, wieder in die normale Tagesstruktur zurückzukommen. Auch die Lerndefizite sind größer geworden, was den Lernfrust und die Schuldistanz ebenfalls erhöht. Das ist an allen Schulen im Bezirk deutlich geworden“, berichtet das Team.

Wege zurück in den Schulalltag

Seit Mitte März möchte jetzt das neue Beratungs- und Unterstützungsangebot dem entgegenwirken. Die drei Sozialpädagoginnen werden sich dabei auf die pandemiebedingte Schuldistanz konzentrieren. Sie wollen bei den Betroffenen herausfiltern, warum sich die Schuldistanz in der Pandemie verschärft hat, beziehungsweise was der Auslöser der Schuldistanz in der Pandemie war – und beraten dann zu bedarfsgerechten Angeboten. „War der soziale Abbruch ausschlaggebend für die Schuldistanz? Müssen wir die Kinder- und Jugendlichen wieder sozial integrieren, beispielsweise in einer Jugendfreizeiteinrichtung oder in ihren Fußballverein? Wir wollen Brücken bauen in den normalen Alltag und der Schuldistanz entgegenwirken“, erklärt Ann-Christin Thießenhusen, ebenfalls Sozialpädagogin im Beratungsteam.  Eine zentrale Aufgabe sieht das Team auch darin, die Schüler*innen wieder in eine Tagesstruktur zu bringen. Dazu müssen auch die Eltern mit ins Boot geholt und zwischen Schule und Familie vermittelt werden.

Eine wichtige Rolle bei der Überwindung der Schuldistanz spielen auch die Lehrkräfte. „Die Pandemie ist ja nicht nur für die Schüler*innen und Familien ein Problem. Auch an den Schulen kam es zu Überlastungen. Lehrkräfte mussten in kurzer Zeit zwischen Online-, Wechsel- und Präsenzunterricht wechseln, ihre didaktischen Methoden ständig anpassen“, berichtet Ann-Christin Thießenhusen weiter. In dieser Überforderungssituation konnte vielleicht nicht mehr jedem Kind gerecht werden. Auch hier möchte das Team beim Wiederaufbau von Brücken zu den Kindern und Familien unterstützen.

Zum Start informiert das Team erst einmal per Rundmail alle Schulen im Bezirk über das neue Beratungs- und Unterstützungsangebot. „Wir haben uns nach Stadtteilen organisiert. Ich werde beispielsweise Marzahn/Biesdorf betreuen, Sina Meinhold Mahlsdorf und Ann-Christin Thießenhusen Hellersdorf/Kaulsdorf“, berichtet Anke Schiphorst, dir dritte Sozialpädagogin im Beratungsteam.

Enge Zusammenarbeit mit den Schulen

Grundsätzlich wird der Kontakt erst einmal über die Schulen laufen, da das Team keine direkten Kontaktdaten der Schüler*innen und Familien hat. Gemeinsam möchte man zunächst anonymisiert Schulleitungen und Lehrkräfte beraten und einen Einblick in die Fälle von Schuldistanz erlangen. Wie verfestigt ist die Schuldistanz? Wann war das letzte Elterngespräch? Wo kann das Team ansetzen? Über persönliche Briefe sollen dann die Familien direkt angesprochen werden und über das Beratungsangebot informiert werden.

Aufsuchende Sozialarbeit

Das Angebot ist aufsuchend konzipiert. Es gibt kein festes Büro, sondern die Beratungen werden in den Schulen, in den Familien selbst, wenn diese das wünschen, oder auch beispielsweise in Räumen von Jugendfreizeitclubs stattfinden. Grundsätzlich sollen die Beratungsangebote ganz flexibel auf die Bedürfnisse der Familien angepasst werden. „Viele Eltern haben eine Hemmschwelle entwickelt, Beratungsstellen aus eigenem Antrieb auf zu suchen. Aufgrund der Möglichkeit aufsuchend zu arbeiten, sehen wir eine gute Ergänzung zu den vielfältigen Beratungsangeboten im Bezirk“, sagt Sina Meinhold.

Perspektiven

Aktuell richtet sich das Angebot an die Klassenstufen 5-8. „Wir hoffen aber, dass wir das Angebot perspektivisch auf die jüngeren Klassen ausweiten können. Denn vielfach tauchen die ersten Probleme mit Schuldistanz schon in der 2., 3. oder 4. Klasse auf“, berichtet Anke Schiphorst. „Es wäre gut, wenn wir da mittelfristig auch früher ansetzen und tätig werden könnten.“

Der Bedarf ist auf jeden Fall groß: „Marzahn-Hellersdorf hat den geringsten Prozentsatz an Schüler*innen in Berlin, die eine allgemeine Hochschulreife erreichen. Ich sehe das Beratungsangebot als kleinen, aber wichtigen Baustein zu mehr Bildungsgleichheit an, als eine Möglichkeit, neue Perspektiven aufzuzeigen“, ergänzt Ann-Christin Thießenhusen.

„Deshalb wäre es auch mittelfristig begrüßenswert, wenn die Spezifizierung auf die pandemiebedingte Schuldistanz wegfällt und wir das Beratungsangebot dauerhaft im Bezirk implementieren könnten“, meint Sina Meinhold. „Im Bezirk ist der Bedarf ganz groß nach Menschen, die zuhören und wertschätzend sind und Verständnis haben. Ich arbeite schon seit 2013 mit schuldistanzierten Jugendlichen. Meine Erfahrung ist: Die Kinder und Familien wollen gesehen werden – und man erreicht durch Dranbleiben, Vertrauen zeigen, Wertschätzung schon so viel. Das ist eine tolle Aufgabe für das Team der Beratungsstelle.“

Beratungsangebot pandemiebedingte Schuldistanz

Sina Meinhold, Sozialpädagogin, Deeskalationstrainerin
Stadtteil: Mahlsdorf
E-Mail: s.meinhold@tandembtl.de
Mobil: 0174 1603447

Anke Schiphorst, Sozialpädagogin
Stadtteile: Marzahn und Biesdorf
E-Mail: anke.schiphorst@tandembtl.de
Mobil: 0152 27405098

Ann-Christin Thießenhusen, Sozialpädagogin
Stadtteile: Hellersdorf und Kaulsdorf
E-Mail: ann-christin.thiessenhusen@tandembtl.de
Mobil: 0152 27780957

Link: https://tandembtl.de/beratung-und-unterstuetzung-bei-pandemiebedingter-schuldistanz.html


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