Netzwerk berufsbegleitende Erzieherausbildung

Erstellt

Thema tandem intern

von Barbara Brecht-Hadraschek

Berufsbegleitende Erzieherausbildung, Heike Jastrow im Gespräch

In dem Netzwerk berufsbegleitende Erzieherausbildung engagieren sich regelmäßig 20 anerkannte Fachschulen und 30 Träger der Kinder- und Jugendhilfe aus Berlin. Einer dieser Träger ist die tandem BTL, vertreten durch Heike Jastrow, Einrichtungsleiterin der EFöB in der Grundschule an der Bäke und Ausbildungsbeauftragte der tandem BTL. Johann Schellenberg hat sich mit ihr getroffen, um über die Ziele des Netzwerks und ihre Erfahrungen in der berufsbegleitenden Ausbildung zu sprechen.

Zusammen mit seinen Mitgliedsorganisationen hat der Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin e.V. im Herbst 2017 ein Netzwerk im Rahmen des Bundesprogramms „Qualität vor Ort“ initiiert. Das berlinweite Netzwerk bietet eine wertvolle Austauschplattform zwischen in der Ausbildung engagierten Trägern der Kinder- und Jugendhilfe, anerkannten Fachschulen und Studierenden. Seit 1. Januar 2019 wird das Netzwerk unter dem Dach des Paritätischen Kitaforums der Paritätischen Akademie Berlin weitergeführt.

Ziele der Netzwerkarbeit

Johann Schellenberg: Welche Ziele verfolgt das Netzwerk?

Heike Jastrow: Ein Ziel ist die Sicherstellung eines dauerhaften und regelmäßigen Austausches zwischen Lernort Schule und Lernort Praxis. Dieser regelmäßige Austausch ist allen sehr wichtig, um die Auszubildenden bestmöglich zu unterstützen. Ein weiteres Ziel ist die Beschreibung des strukturellen Zusammenwirkens der Lernorte und die Klärung von Rollen und Aufträgen der einzelnen Akteur*innen. Ein drittes Ziel ist die Weiterentwicklung und Sicherung der Ausbildungsqualität.  Außerdem arbeiten wir an der Rückkoppelung der Ergebnisse des Netzwerks an die Politik.

Johann Schellenberg: Wer sind die Adressat*innen der Ergebnisse aus diesem Netzwerk?

Heike Jastrow: Das ist unterschiedlich. Teilweise arbeiten wir im Netzwerk an ganz praktischen Ergebnissen, wie zum Beispiel einen Ausbildungsmusterplan für Einrichtungen. Wir bei tandem haben ein Standardwerk. Aber manche Einrichtungen nicht – und manche Schulen bieten den Auszubildenden auch keinen Ausbildungsplan an. Jede Fachschule macht das anders. Dafür haben wir jetzt einen Ausbildungsplan geschaffen.

Die Auszubildenden profitieren davon, weil es mehr Qualität in ihre Ausbildung bringt. Außerdem haben wir damit eine Selbstverpflichtung über Standards geschaffen, die wir einhalten möchten – und zwar sowohl für die Praxis als auch für die Fachschulen.

Darüber hinaus wollen wir mehr Unterstützung und bessere Rahmenbedingungen bei der Politik einfordern. Ein Punkt wäre zum Beispiel, dass die Auszubildenden nicht sofort voll auf den Personalschlüssel angerechnet werden. Außerdem werden für die Schulen zurzeit noch keine Besuche in der Praxisstelle finanziert. Dies ist aber für einen besseren Austausch zwischen Lernort Schule und Lernort Praxis elementar.

Veränderungsbedarf in der berufsbegleitenden Ausbildung

Berufsbegleitende Erzieherausbildung, Heike Jastrow im Gespräch mit Johann Schellenberg

Johann Schellenberg: Sie haben ja selbst eine berufsbegleitende Ausbildung absolviert und tragen heute Verantwortung für Auszubildende, teilweise direkt als Anleiterin. Wo sehen Sie den größten Veränderungsbedarf?

Heike Jastrow: Ganz zentral ist eine bessere Abstimmung zwischen Lernort Praxis und Schule, weil die neuen Kolleg*innen sofort in Vollzeit arbeiten und funktionieren müssen. Dabei beginnen sie ja eigentlich erst ihre Ausbildung. Deshalb wäre es aus meiner Sicht wichtig, dass manche Dinge einfach schneller an die Auszubildenden herangetragen werden, damit sie ein „pädagogisches Notfallrepertoire“ in der Tasche haben, das sie in unserem Alltag brauchen.

Von Trägerseite würde ich mir wünschen, dass es mehr Austausch zwischen Auszubildenden gibt, dass man über seine Einrichtung hinaus Kontakte zu anderen Auszubildenden hat, sich austauschen kann. „Wie läuft es bei dir?“ „Was sind da die Unterschiede?“

Außerdem sollte es eine gleichbleibende Qualität der Anleitung geben. Ich finde, im Moment ist die berufsbegleitende Ausbildung immer stark davon abhängig, wie gut die Anleitung ist. Trägerintern sind deshalb Qualitätsstandards wichtig. Da ist tandem auf einem guten Weg. Unsere Mitarbeiter*innen können sich mittlerweile auch zu Mentor*innen ausbilden lassen. Das finde ich sehr gut.

Für die gesetzlichen Rahmenbedingungen wünsche ich mir, dass die Auszubildenden nicht gleich voll auf den Personalschlüssel angerechnet werden. Außerdem sollten Praxisbesuche der Fachschulen finanziert werden, damit sie sich die Arbeit vor Ort anschauen und ihrem Azubi aus pädagogischer Sicht auch ein Feedback geben können. Weil die Dozent*innen einen geschulteren Blick darauf werfen als die Anleiter*innen in den Einrichtungen. Eine enge Zusammenarbeit wäre hier wichtig. Mein Traum wäre, dass wir irgendwann mal eine duale Ausbildung haben, in der alles unter einem Dach läuft mit einem Arbeits- und Ausbildungsvertrag.

Johann Schellenberg: Eine Frage noch zum Thema Inklusion. Wir bilden ja in unserer Einrichtung, einem Förderzentrum, einen Auszubildenden aus und haben jetzt feststellen müssen, dass es in seinem Ausbildungsplan so gut wie keine verpflichtenden Inhalte zur Arbeit mit Menschen mit Behinderung gibt. Ist das ein Thema im Netzwerk?

Heike Jastrow: Nein, das ist bisher kein Thema gewesen. Dabei wäre es sehr wichtig für die Umsetzung der Inklusion. Insgesamt ist das Netzwerk noch sehr an den Kitas orientiert. Auch die Ergänzende Förderung und Betreuung war bisher wenig Thema. Die Fachschulen sagen dann, die meisten Auszubildenden sind aus den Kitas und dementsprechend werden die Schwerpunkte gelegt. Das ist glaube ich unser Hauptproblem: Dass wir es noch nicht geschafft haben zu kommunizieren, dass ein Ausbildungsort für Erzieher*innen eben auch ein Förderzentrum sein kann, die ambulanten Hilfen oder die Ergänzende Förderung und Betreuung. Viele haben das gar nicht auf dem Schirm, das merke ich auch bei Gesprächen auf Jobmessen. Dabei wollen viele potenzielle Erzieher*in-nen lieber mit älteren Kindern arbeiten.

Johann Schellenberg: Sie bilden selbst aus, treffen sich im Netzwerk mit erfahrenen Kolleg*innen. Können Sie sagen, wie die Auszubildenden selbst ihre Erzieherausbildung wahrnehmen?

Heike Jastrow: Ich kann von meinen zwei Auszubildenden sprechen, die ihre Ausbildung gerade abgeschlossen haben. Das sind beide gestandene Mamas, die schon jenseits der 40 sind, die ihre Ausbildung wirklich gut gemanagt haben, die aber auch wirklich erschöpft waren nach drei Jahren. Man hat ihnen deutlich angemerkt, dass das an die Grenze der Machbarkeit gegangen ist.

Ich glaube, für die Älteren ist der schriftliche Teil der Ausbildung sehr belastend. Die Jüngeren kommen frisch von der Schule und machen einfach da weiter, wo sie aufgehört haben. Für Ältere, die sich entscheiden, nochmal einen neuen Beruf zu lernen, bedeutet das mehr Stress. Das kann man als Ausbildungsort aber gut auffangen.

Wir haben die beiden gut unterstützt, auch mal Texte quer gelesen, das nimmt viel Druck. In der Grundschule ist diese Unterstützung vielleicht auch leichter zu organisieren. Dann bekommen die Auszubildenden eine Vorbereitungsstunde mehr, die sie in ihre Schulausbildung stecken, damit sie ihre Hausarbeiten vorbereiten können und nicht erst abends nach der Arbeit daran sitzen müssen. Und sie können wirklich mit allen Fragen zu uns kommen, wenn sie Probleme in der Schule haben.

Wir bilden hier wirklich umfangreich aus. Wir haben Fachliteratur hier, die sich die Azubis ausleihen können. Alles, was sie für ihre Ausbildung brauchen, ist bei uns vorhanden, sodass sie da nicht nochmal losgehen und sich das besorgen müssen.Und es lohnt sich! Unsere ehemaligen Auszubildenden arbeiten auch nach ihrer Ausbildung weiter in unserer Einrichtung. Darüber sind wir sehr froh.

Johann Schellenberg: Herzlichen Dank für das Gespräch.

Dieses Interview erschien zuerst in unserem tandem MAGAZIN Ausgabe 5/2020


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