Forschungsprojekt zu Cybermobbing

Erstellt

Thema Schulsozialarbeit

von Barbara Brecht-Hadraschek

Schüler*innen bei der Ergebnisvorstellung an der FU

Die Konrad-Wachsmann-Schule war eine von fünf Berliner Schulen, die an dem internationalen Forschungsprojekt „Blurred Lives“ (dt. „Verschwommene Lebenswege“) teilgenommen hat. Im „Blurred Lives“-Projekt untersuchten europäische Forscher*innen Cybermobbing unter sozioökonomisch benachteiligten Jugendlichen. Sophie Stephan, Schulsozialarbeiterin der tandem BTL, begleitete das Projekt an der Konrad-Wachsmann-Schule.

„Cybermobbing ist in unserem Berufsalltag immer wieder ein Thema. Es gibt an der Schule immer wieder Fälle von sexualisiertem Verhalten im Internet; Fälle, in denen v.a. Mädchen weinend bei uns im Büro sitzen, weil echte oder nicht echte Nacktfotos von ihnen herumgehen. Deshalb war ich ganz dankbar, dass wir durch die Kooperationsanfrage der FU die Möglichkeit hatten, uns mit einem Jahrgang bzw. einer Klasse aktiv und lösungsorientiert mit dem Thema auseinanderzusetzen“, erzählt Sophie Stephan, Schulsozialarbeiterin an der Konrad-Wachsmann-Schule. „Für mich war auch ein Ziel, die Jugendlichen zur Selbstreflexion über das eigene Nutzerverhalten anzuregen.“

Cybermobbing: Viele sind betroffen

76 Prozent der Berliner Jugendlichen geben an, drei bis fünf Stunden täglich online zu sein. Die beliebtesten Apps sind dabei YouTube, Whatsapp und Instagram, Facebook und Twitter werden hingegen kaum genutzt.  In Deutschland sind Jugendliche dabei besonders oft von Cybermobbing betroffen. Von einer unangenehmen Erfahrung im Internet berichteten immerhin 37 Prozent der deutschen Schüler*innen, in den Niederlanden nur elf, der europäische Schnitt liegt bei 25 Prozent. Auch die Frage, ob sie schon einmal selbst einer Person im Internet „Schaden zugefügt“ haben, beantworten in Deutschland 22 Prozent mit „Ja“. Im europäischen Schnitt sind es elf Prozent, in den Niederlanden sogar nur zwei. Die Schüler*innen der Konrad-Wachsmann-Schule wunderten sich übrigens nicht über die Ergebnisse in Berlin. „Ich frage mich eher, warum die Zahlen in den Niederlanden so niedrig sind“, sagt einer von ihnen bei der Projektvorstellung an der FU in Dahlem, bei der die Jugendlichen als einzige Schüler*innen ihre erarbeiteten Ergebnisse den Wissenschaftler*innen und Medienvertreter*innen vorstellen.

Partizipatorischer Ansatz im Forschungsprojekt

Das Besondere an „Blurred Lives“: Die Jugendlichen waren selbst aktiv in den Forschungsprozess einbezogen, um zu erfahren, wie sie Cybermobbing definieren, erleben und damit umgehen, wenn sie z.B. Opfer von Cybermobbing werden. Für Herbert Scheithauer, den Leiter des Berliner Projektes, ist diese Methode das Interessante an der Studie. Die Jugendlichen wurden zu Co-Forscher*innen ­– und haben beispielsweise ihr spezifisches Know-How eingebracht, das Lehrkräften eventuell fehlt, etwa darüber, wie Snapchat funktioniert.

Neben einem Online-Fragebogen, den alle Schüler*innen des 9. Jahrgangs ausgefüllt hatten, gab es zum einen moderierte Fragerunden, sogenannte Fokusgruppendiskussionen. „Die Gesprächsrunden als Methode fand ich sehr gut. Da diese sowohl aufgezeichnet als auch transkribiert wurden, hatte das ganze Setting für die Jugendliche eine besondere Wichtigkeit. Alle haben etwas mehr darüber nachgedacht, was sie sagen, denn sie wussten, jedes Wort wird mitgeschrieben. Und so sind sie richtig ins Reflektieren gekommen, haben eigene Erfahrungen, Ideen entwickelt, wie sie mit Cybermobbing umgehen würden, wenn es ihre Geschwister, Freund*innen, sie selbst betreffen würden“, erklärt Sophie Stephan.

Viele selbstentwickelte Materialien

Außerdem erarbeiteten die Jugendlichen einer 9. Klasse in vier Arbeitsgruppen Materialien für Lehrkräfte, Schüler*innen und Eltern sowie Empfehlungen, die sich an Anbieter von Sozialen Netzwerkseiten richten. In einer Gruppe wurde beispielsweise eine Muster-E-Mail entwickelt, um Instagram auf das Fehlverhalten eines Nutzers hinzuweisen. Auch drehte diese Gruppe ein YouTube-Video für Aufklärungszwecke. Eine weitere Gruppe fertigte einen Elterninformationsflyer an, eine entwickelte eine informative Präsentation für die Lehrkräfte und eine andere konzipierte eine Instagramstory mit Weiterleitungsfunktion zu einer hilfeanbieten Webseite. Aus dieser Idee entstand ein Comic. „Die Arbeit in den vier Arbeitsgruppen war schon herausfordernd, weil unsere Schüler*innen es nicht kennen, so frei arbeiten zu können, ohne Leitung von außen. Es wäre schön gewesen, wenn alle mehr Zeit gehabt hätten, denn auch wenn die Schüler*innen irgendwann gut ins Arbeiten gekommen sind, waren sie nicht immer zufrieden mit den Ergebnissen, weil sie eben noch nicht ganz fertig waren“, stellt Sophie Stephan fest.

Positives Fazit für die Schüler*innen

Dennoch zieht die Schulsozialarbeiterin eine positive Bilanz: „Die Jugendlichen haben ihre Ergebnisse den 7. Klassen vorgestellt, der Gesamtkonferenz in der Schule und schließlich sogar dem Forschungsteam und der Presse an der FU in Dahlem. Sie haben Selbstwirksamkeitserfahrungen gemacht – und gemerkt: Das, was wir machen, hat eine Wirkung, eine bestimmte Bedeutung, andere hören und schauen sich das an – und finden das in der Regel auch gut.“

Auch das Fazit der Schüler*innen ist positiv: „Ich fand es gut, dass wir uns in der Schule intensiv damit beschäftigen konnten“, sagt einer der Schüler bei der Präsentation der Forschungsergebnisse an der FU in Dahlem.  Ein Klassenkamerad pflichtet ihm bei und ergänzt: „Wenn jemand in der Schule gemobbt wird, geht das zu Hause im Internet weiter. Er hat keine Ruhe mehr.“ Deshalb ist den Jugendlichen das Thema auch wichtig.  Die Präsentation der Schüler*innen für die Lehrkräfte der Schule endet mit einem Appell: „Wir möchten, dass Lehrer verstehen, wie wichtig das Thema Mobbing ist. Wenn jemand einen Mobbingvorfall meldet, bitte nehmt ihn/sie ernst“

Mehr Infos zum Forschungsprojekt und die Ergebnisse der Schüler*innen zum Download:

https://www.ou.nl/web/blurred-lives

https://www.ou.nl/web/blurred-lives/resources  -> Downloads

Hilfe bei Cybermobbing, WhatsApp-Stress & Co
Onlineberatung von Jugendlichen für Jugendliche

https://www.juuuport.de/

Mehr Infos zu unserer Arbeit an der Konrad-Wachsmann-Schule

 


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